Das Kirchenschiff

Als die Martinskirche zu klein geworden war...

Im Jahre 1786 entsprach die alte Kirche nicht mehr den Bedürfnissen der Gemeinde. Sie war zu klein geworden, innen verbaut und damit auch viel zu dunkel. Zudem hatten die Umwelteinflüsse der vergangenen Jahrhunderte das Mauerwerk stark angegriffen. Die Vorgängerkirche war gegen Ende des 14. Jahrhunderts nach der Zerstörung und Brandschatzung von 1385 aus Stein gebaut worden. Um 1724 fand man übrigens in der Vorgängerkirche ein Kirchsiegel in der Mauer, mit der Abbildung des Heiligen Martin zu Pferde sitzend, der einem Bettler ein Stück von seinem Mantel reichte, samt der Umschrift „S. Martinus Episcopus Endelingenbostel“. - Ein Beleg für das Martinspratonat.

Eine neue, größere Kirche wurde dann 1788 erbaut. Ein kurzer „Steckbrief“: Es handelt sich um einen Saalbau im Barockstil aus rauh verputztem Bruchsteinmauerwerk mit Eckquadern auf Sandsteinsockel. Das Langhaus unter dem im Osten abgewalmtem Satteldach wird beidseitig durch fünf Segmentbogenfenster in Sandsteingewänden gegliedert, deren mittleres jeweils eine Tür enthält. Das Innere ist dreischiffig von einer hölzernen, umlaufenden Emporenanlage gegliedert.  Die Holzdecken - im Mittelteil ein Tonnengewölbe, über den Seiten flach - sind verputzt. Die Ausstattung stammt einheitlich aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. 

 

Vorbereitung und Ausführung des Kirchenneubaus 

Am 17. September 1786 fand eine Kirchenvisitation in Engelbostel statt, bei der dargelegt wurde, dass die Kirche wegen ihrer verfallenden Beschaffenheit von Neuem aufgebaut werden müsse. Im Anschluss daran wurde ein Bauentwurf und ein Kostenvoranschlag in Höhe von 2.850 Thalern vorgelegt. Der Abriss des alten Kirchengemäuers ist mit 60 Thalern in den Akten verzeichnet, wobei 20 Thaler auf Zimmermeister Weißhaar fielen und 40 Thaler auf den Maurermeister Schilling.

Erst am 29. November 1787 genehmigte das Konsistorium den Bau, nachdem die Zustimmung vom 23. Januar zurückgenommen ge­nommen worden war; die neue Kirche hatte sich als zu klein geplant erwiesen. Nur 973 Thaler standen der Kirchengemeinde zum Bau zur Verfügung, 500 Thaler wurden aus Beckenkollekten und Kirchenvorräten aufgebracht. Durch den Verkauf des alten Kirchgestühls und eine Geldaufnahme gegen 3% Verzinsung bei bemittelten Kirchen kamen die restlichen 1.377 Thaler zusammen. Ab April 1788 begannen die Arbeiten am Bau der Kirche, nachdem ein Grundstücksstreit mit dem Nachbarn und Vorsteher Hanebuth geklärt war.

Der geistliche Kirchenkommissar, Konsistorialrat und Generalsuperintendent Schlegel, förderte mit aller Tatkraft die munter voranschreitenden Bauarbeiten. Allerdings übertrug er alle Hauptbauarbeiten an Handwerksmeister aus Hannover. Handwerksmeister aus Engelbostel und anderen Orten des Kirchspieles waren nur bei kleineren Arbeiten beteiligt. Genannt werden z.B.: Zimmermeister Dietrich Döbbecke, Schmiedemeister Jobst Jürgen Hackeroth, Maurermeister G. Büttner, Schmiedemeister Dunsing in Engelbostel und Tischlermeister Christian Evers in Heitlingen. Obwohl Meister Büttner nur für Tünchearbeiten an den Decken und der Sakristei für 15 Thaler 30 Groschen zuständig war, fand er sich so wichtig, daß er seinen Namen samt Jahreszahl auf einem Eckquader am Westgiebel einmeißelte.

Pastor Johann D. L. Hornbostel, von 1771-1790 Pfarrer in Engelbostel, war es, von dem die Initiative zum Neubau der Kirche ausging. Die völlige Fertigstellung seiner Kirche sollte er aber nicht mehr erleben, er verstarb bereits am 11. Januar 1790 in Engelbostel im Alter von 58 Jahren. Die Abrechnung des Kirchenbaues hat sich ungewöhnlich lange hingezogen. Zum Teil sind die Zahlungen erst Jahrzehnte nach der Ausführung der Arbeiten erfolgt. Die Schlußrechnung ist erst 1816 durch Pastor Christoph W. Erdmann erledigt worden. 

 

Merkwürdige Gesichter im Gemäuer...

Werfen wir zunächst einen Blick aufs Äußere der Kirche. Der rechteckige Kirchbau ist außen 29 ½ m lang und 16 ½ m breit. Beim Verputzen des äußeren Mauerwerkes hat man seinerzeit spolienartig Grabsteinfragmente des alten Friedhofs vermauert - und zwar jeweils links und rechts in halber Höhe an den Sandsteinumfassungen der Fenster. Leider sind die meisten Reliefs stark verwittert. An der Ostseite ist der Name „Hans Christian...“ unter einem Grabsteinfragment erkennbar. Ein Medaillion-Relief, welches den Kopf des gekreuzigten Christus darstellt ist an der nordwestlichen Ecke der Kirche zu betrachten. Das Fenster rechts vom Südeingang in die Kirche ist zusätzlich verziert mit einer Texttafel (“Lasset die Kindlein zu mir kommen...“/ Markus 10) und einem Medaillion mit dem Passi­onssymbol Christus als Opferlamm. -

Ein Quader der Westseite an der südlichen Ecke enthält den Namen eines am Bau beteiligten Handwerkmeisters und das Baujahr: „G. Büttner 1788“. - Im Jahre 1965 wurde das Äußere der Kirche renoviert (u.a. neuer Farbanstrich)

 

Barockes Kirchschiff mit Jugendstilausmalung

Vermutlich aufgrund der hohen Baukosten von über 5.700 Reichthalern erhielt die Kirche im Jahre 1788 nur eine sparsame barocke Farbfassung in hellen, flächigen Pastelltönen. Wenige Jahre nach dem Kauf der Compeniusorgel bekam die Kirche im Jahre 1894 eine neue Ausmalung. Sie brachte eine umfassende Gestaltung aller Ausstattungsteile mit schablonierten Elementen, der Altar hauptsächlich marmoriert, die Emporenanlagen, das Gestühl und die Orgel mit Holzmaserimitationen, dunkel bzw. mit Bronze abgesetzt. Wände und Decken waren reich gestaltet. - 1952 wurde diese Ausmalung bei Renovierungsarbeiten zunächst weiß, 1959 dann fast monochrom in Blau-, Rosa- und Grautönen übergestrichen.

 

Kirchenrenovierungen 1952 und 1959 

Durch die Bombenangriffe im II. Weltkrieg war die Martinskirche arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Fensteröffnungen waren behelfsmäßig mit Brettern vernagelt; die Scheiben waren durch die Explosion von Luftminen zersprungen. Die dekorative Innenmalerei aus dem Jahre 1894 hatte Risse bekommen, stellenweise war der Putz von Decke und Wänden gefallen. Nach und nach standen sowohl Baumaterial als überhaupt auch finanzielle Mittel zur Verfügung, um Kriegsschäden beseitigen zu können.

Erst im Jahre 1952 wurde die Kirche, während der Amtszeit von Pastor Herbert Brünjes, renoviert. Das Gotteshaus wurde in schlichtem Weiß gehalten. Die historische Bemalung aus dem vergangenen Jahrhundert mit dem Sternenhimmel über dem Altar und der Bemalung der Ballustraden, sowie der Decke, ging hierbei verloren. Es werden letztendlich auch die hohen Kosten für die Wiederherstellung des Originalzustandes ausschlaggebend gewesen sein, daß man sich für eine schlichte Neugestaltung des Kircheninnenraumes entschieden hat.

Wenige Jahre später, im Jahre 1959, verfügte die Kirchengemeinde endlich über ausreichende Mittel für eine Gesamtrenovierung der Kirche und für die Vervollständigung des Geläutes. Nach Entwurf und Leitung von Prof. Verdi Horrmeyer wurde durch ortsansässige Handwerksmeister die Innenrenovierung - im Stil der damaligen Zeit - ausgeführt. Bei der Vermalung standen die Farben blau und rosa im Vordergrund. Der Altartisch wurde 80 cm von der Kanzelwand abgerückt aufgestellt. Eine neues Taufbecken kam hinzu, sowie neue Beleuchtungskörper. Die abmontierten alten Kronleuchter sind leider - im wahrsten Wortsinne spurlos - ver­schwunden: Niemand weiß wo sie geblieben sind...

 

Die Renovierung 1992/ 93

Diese Ausmalung hielt gerade 33 Jahre stand. Die notwendig gewordenen Instandsetzungsarbeiten an Decke, Wänden, elektrischer Anlage und Heizung machten eine neue Ausmalung der Martinskirche erforderlich. Die Ausmalung von 1894 erschien aufgrund von Untersuchungsergebnissen der eingeschalteten Restauratoren Reinhold Gonschior und Alfred Bremm sowie durch älteres Bildmaterial in Farbgebung und Ornamentik fast vollständig wiederherstellbar. Bremm und Gonschior rekonstruierten zunächst einen 3 m breiten Streifen in der Nähe des Altarraumes (Südseite), siehe Foto. Die Rekonstruktion der neugotischen Ausmalung einer Barockkirche ist von besonderer denkmal­pflegerischer Bedeutung, da Ausmalungen barocker Kirchen aus der Zeit der Jahrhundertwende selten erhalten geblieben sind. Auch Orgel und Altar waren Bestandteil der Gesamtausmalung von 1894.So bestand also die - vermutlich für viele Jahrzehnte - letzte Gelegenheit, die neugotische Gesamtfassung einer Barockkirche wieder herzustellen. - Ein Vorhaben von besonderer kunsthistorischer Bedeutung.

Mit dem Abbau der alten Außenwand-Gasöfen und Montage einer neuen Heizungsanlage (Gesamtkosten 250.000,- DM) begann 1992 der 1. Bauabschnitt. Malermeister und Restaurator Horst Wulfers, Springe rekonstruierte mit großem Aufwand die Deckenmalerein unter dem Tonnengewölbe (siehe Foto). Es folgten rasch die Erneuerung der Elektroanlage, Maurer- und Putzarbeiten, das Anstreichen sämtlicher Innenwände, und die Beschaffung neuer Beleuchtungskörper. Mit einem fröhlichen Gemeindefest samt Einweihungsgottesdienst mit Landessuperintendent Hartmut Badenhop konnte am 29. August 1993 die Kirche wieder ihrer Bestimmung übergeben werden. 

In den Jahren darauf folgten die Freilegung und Retuschierung der Ballustraden, die Neubemalung der Bänke in Holzmaserimitation sowie der Anstrich der Sakristreiräume, ebenfalls durch Horst Wulfers. Schmiedemeister Richard Finke, Engelbostel, schuf zwei von ihm entworfene Kronleuchter, die in der Gestaltung die Ornamentik der Deckenbemalung aufnehmen.

Der 2. Bauabschnitt 1993-1995 kostete (incl. bisheriger Ausmalung der Kirche) über 500.000 DM, wovon die Stadt Langenhagen einen Zuschuß von 100.000 DM zahlte. Die gesamten Kosten der Innenrestaurierung betragen bisher 800.000 DM, wovon Engelbosteler und Schulenburger Gemeindeglieder im Laufe der Jahre 155.000 DM spendeten! Ein wenig Geld ist noch übrig, um 1997 den Kanzelaltar rekonstruieren und neu anmalen zu können. Die Orgelüberholung samt Restaurierung des Orgelprospektes steht ebenfalls für 1997 an (siehe „Die Orgel“). Die fehlende Wandbemalung wird aus Kostengründen vorerst nicht möglich sein.