Auf-richten

Andacht für das Langenhagener ECHO am 29.02.20 von Pastor Rainer Müller-Jödicke

 

„Zu richten die Lebenden und die Toten, was bedeutet das eigentlich?“, wollte jemand wissen, als wir im Konfirmandenunterricht das Glaubensbekenntnis durchnahmen. Sofort schossen mir Antworten durch den Kopf: Wir Christen glauben und hoffen, dass Jesus eines Tages wieder kommen wird; dann hält er das sogenannte Jüngste Gericht ab. Sowohl die bis dahin bereits Verstorbenen als auch die zu dem Zeitpunkt noch Lebenden werden dann gerichtet: Gott spricht dort mit Jesus ein Urteil über unsere Taten, so stellen sich das viele vor.

Doch ich zögerte mit einer vorgefertigten Antwort. Einerseits finde ich das ja gut, wenn all die Bösen, die uns anderen das Leben schwer machen, dann mit aller Schärfe verurteilt und zurechtgewiesen werden. Andererseits ist das so hoffnungslos, weil einem doch schnell etwas Schlechtes bei einem selber einfallen kann. Darum sind es immer wieder Sternstunden, wenn es einem meiner Konfirmanden gelingt, auf diese große Frage eine kurze Antwort zu formulieren, die Hoffnung macht.

Getröstet hatte mich vor vielen Jahren mal ein Konfirmand, als er in einer ähnlichen Situation sagte: „Und Jesus ist dann unser Anwalt und haut uns da raus.“ Eine Jugendliche hatte damals ergänzt: „Und darum muss ich mir keine Sorgen um mich, meine engste Familie und meine besten Freundinnen machen, denn wir alle gehören zu Jesus, der wird uns dann helfen!“ Schon damals hatte ich die Frage einfach an die Konfirmanden zurückgegeben, das tat ich jetzt auch.

Und jetzt meldete sich Devin. Mit einer ganz kurzen Antwort brachte er es dann so auf den Punkt, dass es mir das Herz aufgehen ließ: „Richten heißt bei Gott aufrichten!“ So präzise war Devins Antwort, und es war doch alles drin in diesem einen Wort „aufrichten“. Wie schön: Wenn wir also tatsächlich eines Tages niedergeschlagen vor Gott im Gericht stehen sollten, dann müssen wir ihn nicht als bösen Richter fürchten. Vielmehr wird Gott uns trösten, ermutigen und aufrichten. Gut, dass ich wieder erstmal meine Konfirmanden um eine Antwort gebeten hatte!

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