Hier wohnt Gott

Andacht für das Langenhagener ECHO am 22.10.16 von Pastor Rainer Müller-Jödicke

Wenn Gott irgendwo wohnt, dann hier“, diesen Satz schrieb einmal ein Tourist in das Gästebuch einer Kirche. Auch ich gehe gern im Urlaub in Kirchen und schaue sie mir an. Sie sind nicht nur touristisch interessant, sondern zeigen mir, wie die dortigen Menschen Gott verehren und erleben. Da finde ich einen ruhigen Moment mit Gott.

Auf meiner letzten Reise, die mich nach Israel führte, war ich an vielen heiligen Orten. An der Klagemauer in Jerusalem spüren die Juden seit zweieinhalb Tausend Jahren Gottes Nähe, das war einmal die Westmauer des Tempels. Aber wenn Gott da wirklich wohnt, muss er da heutzutage sehr viel Unruhe ertragen. Mich jedenfalls haben die Sicherheitsschleusen, die vielen Soldaten und auch ein Taschendieb gestört.

Auch in Bethlehem bin ich gewesen: Wo die Heilige Familie mit Ochs und Esel gewohnt hat, steht heute eine Kirche. Wohnt Gott in der Geburtskirche? Dort hatte ich es mir ebenfalls anderes vorgestellt. Kann ein Mönch bei Gott zu Besuch sein, der im Seitenschiff eifrig in sein Smartphone tippt? In Gottes Haus wird auch das Abendmahl gefeiert: Aber ist das bei Gott so stressig, wie der französische Priester es mit seiner Reisegruppe gestaltete? Und war die polnische Jugendliche für einen Besuch bei Gott wirklich angemessen gekleidet? Sie hielt zwar ihre Knie und Schultern bedeckt, aber der Ausschnitt war ganz schön tief, als sie sich über die Stelle beugte und den Boden da küsste, wo die Krippe gestanden haben soll.

Eine ganz andere Kirche hat mich dann in Jerusalem fasziniert: Kaiser Wilhelm hat dort die Erlöserkirche einst bauen lassen. Die meisten Touristen gehen schnell an ihr vorbei, weil nur hundert Meter weiter die Grabeskirche steht. Doch im Gottesdienstraum war es so still, dass ich dort Gottes Wort hören wollte. Im Innenhof blühten die Blumen unter den Palmen so bunt, dass sie Gottes Herrlichkeit schmückten. Die gemauerten Rundbögen waren so vollendet, dass sie Gottes Perfektion abbilden. Und das Altarfenster war so hell, dass es zeigt, wie Gott mein Leben hell macht. Ja, dort könnte ich das auch in ein Gästebuch schreiben: „Wenn Gott irgendwo wohnt, dann hier.“

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