Von der Messe zum Gemeindelied

12. Juni: Hochkarätiger Vortrag in der Engelbosteler Martinskirche

Professor Guntars Prānis von der Lettischen Musikakademie kommt aus Riga nach Engelbostel.

Mit seiner Frage, ob Geld oder Gnade in den Himmel führe, löste Martin Luther im frühen 16. Jahrhundert nicht nur eine theologische Diskussion, sondern ungewollt auch die Reformation aus. Die kirchliche Erneuerungsbewegung erschütterte innerhalb weniger Jahrzehnte die damals allgemein geübte Frömmigkeit in Europa und führte zur Spaltung des westlichen Christentums.

„Eine der frühesten sichtbaren Veränderungen war die Entwicklung des evangelischen Wortgottesdienstes als Gegenentwurf zur katholischen Messe, zugleich wurden neben Flugblättern auch geistliche Lieder zu den wichtigsten Medien zur Verbreitung der neuen Überzeugungen“, sagt Dr. Martin Pabst, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim „Deutschen Kulturforum östliches Europa“ mit Sitz in Potsdam. Der Historiker und Theologe, der in Hannover geboren wurde und aufwuchs, beschäftigte sich in seiner Doktorarbeit mit der Reformation in Riga, ausgelöst durch sein starkes Interesse an Geschichte und Religion – und die Großeltern, die aus der lettischen Stadt stammten.

Vor diesem Hintergrund organisierte Pabst jetzt den Vortragsabend „Von der Messe zum Gemeindelied – Die Reformation in Riga und ihre Auswirkungen auf die geistliche Musik“ mit Prof. Dr. Guntars Prānis, Rektor der Lettischen Musikakademie Jāzeps Vītols in Riga. Der Vortrag ist in zwei sehr unterschiedlichen Kirchen zu hören: In der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin und, schon einen Abend zuvor, in der Martinskirche in Engelbostel. Bis heute ist Martin Pabst durch Familie und Freunde eng mit der hannoverschen Kirche verbunden; so konnte Engelbostels Pastor Rainer Müller-Jödicke den hochkarätigen Vortrag in die Martinskirche holen.
Guntars Prānis nimmt sein Publikum mit in die Zeit des Umbruchs im 16. Jahrhundert und bringt die Reformation mit Tonbeispielen zum Klingen. Prānis ist nicht nur als Musikwissenschaftler ein ausgewiesener Experte für die mittelalterliche Kirchenmusik in Riga, sondern unternimmt mit seinem Ensemble „Schola Cantorum Riga“ internationale Konzertreisen und nahm bereits mehrere, teils preisgekrönte CDs auf.

Der Vortrag „Von der Messe zum Gemeindelied“ findet am Sonntag, 12. Juni, um 18 Uhr in der Martinskirche in Engelbostel statt. Der Eintritt ist frei; eine Anmeldung ist nicht erforderlich. An dem Kooperationsprojekt beteiligt sind neben der Martinskirchengemeinde Engelbostel und dem Deutschen Kulturforum Osteuropa auch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin, die Botschaft der Republik Lettland und die Deutsch-Baltische Gesellschaft Niedersachsen.

Der 12. Juni ist übrigens mit Blick auf die Reformation im Baltikum ein historisches Datum: Am 12. Juni 1522 fand im Chor der St.-Petri-Kirche, eine der beiden Hauptkirchen der Stadtgemeinde Riga, eine sogenannte Disputation, also ein öffentliches Streitgespräch zwischen Vertretern der römischen und der reformatorischen Lehre statt. Protagonist der „evangelischen Partei“ war der Prediger Andreas Knopken, der zu einem Zirkel rund um Johannes Bugenhagen gehört hatte, in dem die frühen Lutherschriften diskutiert worden waren. „Die von ihm initiierte Disputation war das erste klar reformatorische Geschehen in Livland, heute Estland und Lettland, das auch zugleich die alte Einteilung Livlands in Erz-Bistümer und Ordensland delegitimierte“, erklärt Martin Pabst.

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