Die Orgel

Die bewegte Geschichte der Martinsorgel

Unsere Orgel ist in zwölfjähriger Bauzeit in den Jahren 1648 (Ende des 30-jährigen Krieges) bis 1660 von Adolf Compenius und Adolf Funke für die Ev.-luth. Aegidienkirche Hannover gebaut worden. Es mag vielleicht das letzte Projekt des barocken Orgelbaumeisters Compenius gewesen sein, denn 1650 verstarb er. 

Während die Orgel heutzutage vier Werke hat, bestand sie ursprünglich nur aus Hauptwerk, Rückpositiv und Pedal und hatte folgende Disposition:

Hauptwerk Rückpositiv Pedal
Prinzipal 8' Prinzipal 8' Octave 8'
Oktave 4' Oktave 4' Oktave 4'
Quintadena 16' Quintadena 8' Bordun 16'
Rohrflöte 8' Gedacht 8'  
Rohrflöte 4'    
Quinte 2 2/3' Quinte 2 2/3'  
Rauschpfeife 2-fach Sesquialtera 3-fach  
Mixtur 4-fach Scharff 4-fach  
Trompete 8' Fagott 16' Posaune 16'
Vox Humana 8' Oboe 8' Trompete 8'
    Trompete 4'



Das Pedal stand ursprünglich hinter dem Hauptwerk. Daher fehlen im Prospekt der Orgel die typischen Pedaltürme rechts und links vom Hauptwerk. - In den folgenden Jahrzehnten wurden etliche kleinere Änderungen an der Disposition vorgenommen. Es würde zu weit führen, diese alle zu erwähnen. In den Jahren 1826/ 27 fand im Zusammenhang mit einer Renovierung der Aegidienkirche auch ein grundlegender Umbau der Orgel durch den Lindener Orgelbaumeister Wilhelm Heinrich Bäthmann statt. Das Rückpositiv wurde als Oberwerk in das Orgelgehäuse eingebaut, das Pedal wurde rechts und links vom Hauptwerk aufgestellt.

Als viertes Werk kam nun ein Brustwerk (III. Manual) hinzu, das aus den neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts wohl als kleine Chororgel gebaut worden war. Im Rahmen des Orgelumbaus wurden 19 Register übernommen und 15 neu gebaut. Windladen, Trakturen und Spieltisch wurden ebenfalls erneuert. Der damalige hannoversche Stadtbaumeister Georg-Ludwig Friedrich Laves hat den Pospekt - gemäß dem Zeitgeist - neu gestaltet und damit der Orgel die noch bis heute erhaltene Gestalt gegeben.

In den Folgejahren wurden weiterhin kleine Änderungen an der Disposition vorgenommen. Als in den Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine neue Orgel für die Aegidienkirche gebaut wurde, entschloss sich die Martinskirchengemeinde, das alte Instrument zu kaufen. Der Kaufpreis von 900 Goldmark wurde durch den Verkauf der alten Schule (Haus Kirchstraße 73/ heute Familie Busche) aufgebracht. Die Aufstellung der Orgel im Jahre 1880 durch die Fa. Furtwängler aus Elze in der wesentlich kleineren Martinskirche brachte einige Probleme mit sich. Der Prospekt musste wegen der geringen Deckenhöhe verkürzt werden. In das Gewölbe wurden zwei Aussparungen eingebaut, damit die großen Pfeifen des Oberwerkes in gekröpfter Form genügend Platz fanden. Außerdem wurden bei diesen Gelegenheit das Gebläse und die Pedalklaviaturerneuert.

Während des ersten Weltkrieges mußten 1917 alle Prospektpfeifen sowie die großen Becher der Zungenregister abgegeben werden. Diese Pfeifen und Becher wurden 1934 durch Zinkpeifen und Zinkbecher ersetzt. Zudem wurden neue Rohrwerke (Zungenstimmen) ebenfalls aus Zinn durch die Fa. Wetzel geliefert. Im Jahre 1951 führte die Orgelbauwerkstatt Hammer eine Teilrestaurierung der Orgel durch. Windladen und Kanäle wurden abgedichtet, und auch Register- und Spieltrakturen wurden überarbeitet. Trotz dieser Arbeiten aber blieb der Zustand der im Jahre 1926 unter Denkmalschutz gestellten Orgel unbefriedigend.

Erst als die Familie Behrendt aus Engelbostel 1975 der Martinsgemeinde eine sehr große Geldspende zur Restaurierung der Orgel zur Verfügung stellte, konnten umfangreiche Überlegungen angestellt werden, wie das Instrument am besten zu restaurieren sei. Man entschied sich gegen eine Wiederherstellung des Zustandes von 1660. Das hätte bedeutet, daß das Brustwerk wieder zu einer selbständigen kleinen Chororgel umgebaut und evtl. im Altarraum aufgestellt hätte werden müssen. Zudem hätte man den unter Denkmalschutz stehenden Prospekt nicht aus der Kirche entfernen dürfen.

Man entschied sich für eine andere Lösung: Da das Oberwerk auf keinen Fall an seinem Platz unmittelbar unter dem Tonnengewölbe bleiben konnte, wurde zunächst der Blasebalg aus dem Gehäuse entfernt. An seiner Stelle wurde dann das Oberwerk als Hinterwerk aufgeständert und die gekröpften Pfeifen (s.o.) wieder in ihren Originalzustand versetzt. Damit man erkennen kann, daß es sich bei dem Oberwerk ursprünglich um ein Rückpositiv handelt, wird es vom I. Manual aus ge­spielt.

Die Orgelbauwerkstatt Hermann Hillebrand aus Altwarmbüchen hat die Restaurierung in den Jahren 1977/ 78 in einer Bauzeit von neun Monaten zu aller Zufriedenheit durchgeführt. In Fortführung der Restaurierungsarbeiten in der Innenkirche wird im Jahre 1997 die Orgel generalüberholt. Das Pfeifenwerk wird ausgebaut, die gesamte Orgel gereinigt. Nach der farblichen Neugestaltung des Prospektes in Angleichung an die bisherigen Kirchenausmalungen (sowie den Elektro- und Putzarbeiten im Bereich der Wände hinter dem Orgelgehäuse) wird das Innenleben der barocken Orgel wieder eingebaut, verschlissene Teile ersetzt und die Pfeifen einer Intonierung unterzogen. Die Orgelreparaturarbeiten sowie die zukünftige Wartung übernimmt die ostfriesische Orgelbaufirma Martin ter Haseborg aus Südgeorgsfehn.

Heute besitzt die Orgel besitzt 34 klingende Register, verteilt auf drei Manuale und das Pedal. Die Compenius-Orgel stand und steht oft im Mittelpunkt manch interessanter Orgelmusikabende in der Martinskirche. Unvergessen ist der „Orgelzyklus“ mit Matthias Eisenberg (früher Leipzig, jetzt Sylt) mit zwölf Konzerten durch das gesamte Orgelwerk Johann Sebastian Bachs (1989/ 90). Doch auch andere Musiker wie István Ella, Janet Krellwitz und Ryoko Morooka waren gern gesehene Gäste.  Der Mann jedoch, der in den letzten Jahrzehnten wohl am häufigsten auf dieser besonderen Orgel musizierte, war unser Organist Ernst Adams, der seit 1969 regelmäßig und zuverlässig den Dienst zu den Gottesdiensten versah und im Okober 1996 in den verdienten Ruhestand ging

Abschließend ist die Disposition der Orgel von 1978 aufgezeichnet.

Hauptwerk
(II. Manual)
Oberwerk
(I. Manual)
Brustwerk
(III. Manual)
Pedal
Prinzipal 8' Prinzipal 4'   Oktave 8'
Oktave 4' Oktave 2'   Oktave 4'
Oktave 2'      
Quintadena 16' Gedackt 8' Gedacktflöte 8' Subbaß 16'
Gedackt 8' Quintadena 8' Spitzflöte 4' Gedackt 8'
Rohrflöte 4' Gemshorn 4' Flageolett 2' Rohrflöte 2'
Flöte 2'      
Quinte 2 2/3' Sesquialtera 2-fach